Abgründe in der AfD

Außerdem: Wenn die AfD wirklich etwas verändern will, muss sie sich selbst verändern. Die neuen Minister kleben am Alten. Und: Während Pauline Voss Julia Klöckners Rauschmeißertum gratismutig findet, kürt Louis Hagen sie zur Heldin des Tages.

Heldin des Tages: Julia Klöckner

Julia Klöckner (CDU) warf gestern eine Linken-Abgeordnete mit Israel-Hass-Pullover aus dem Bundestag.

Die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat eine erkennbar andere Arbeitsauffassung als ihre Vorgängerin Bärbel Bas (SPD). Klöckner warf die Linken-Abgeordnete Cansin Köktürk während einer Debatte aus dem Plenarsaal des Bundestags, weil sie ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Palestine“ trug. Ein klarer Regelverstoß, für den die Bundestagspräsidentin kurz den Ablauf der Debatte unterbrach. Als die Linken-Abgeordnete keine Anstalten machte, aufzustehen, um das T-Shirt zu wechseln, sagte Klöckner: „Dann würde ich sie bitten, die Sitzung zu verlassen.“ Neue Töne im Hohen Haus, im Vergleich zu früher heldenhafte Töne.

Politik ohne Wechsel: Wie sich neue Minister von alten Apparaten auf der Nase herumtanzen lassen

Innig vereint: Die scheidende Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/ Die Grünen) begrüßt ihren Nachfolger, den neu gewählten Außenminister Johann Wadephul (CDU), vor der Amtsübergabe des Außenministeriums an die neue Regierung.

Das mit dem „Politikwechsel“ ist so eine Sache. Als die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) dieser Tage ihren „Hitzeplan“ vorlegte, fühlten sich viele irritiert an ihren fürsorglichen Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) erinnert, der als Ersatz für die intensive Corona-Reglementierung der Bürger sehr schnell die Hitze-Prävention entdeckt hatte. Nun also gab es von der CDU-Nachfolgerin gut gemeinte Tipps, bei denen man wiederum den Eindruck gewinnen konnte, der Bürger als solcher sei ohne staatliche Aufsicht nicht in der Lage, bei sommerlicher Wärme zum Getränk zu greifen.

Ein ähnliches Deja vu erlebte man, als Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) die Überprüfung der Waffenlieferungen an Israel ankündigte, den Kurs seiner eigenen Partei damit nahezu konterkarierte und damit in der Union für einiges Entsetzen sorgte. In der Fraktionssitzung gab es eine klärende Aussprache, nach der einige Parteifreunde den Eindruck hatten, „die Haltung des Auswärtigen Amtes“, die noch sehr von Annalena Baerbock geprägt ist, sei da wohl bei ihm zum Ausdruck gekommen.

Diesen Eindruck konnte man auch bekommen, als Wadephul Baerbock ganz besonders innig zur Wahl als Präsidentin der UN-Generalversammlung auf X gratulierte: „Glückwunsch zur Wahl als Präsidentin der UN-Generalversammlung, liebe Annalena Baerbock. In Zeiten schwindenden Konsenses kommt der Generalversammlung eine besondere Rolle zu. Mit Dir als UN-PGA haben alle 193 UN-Mitgliedstaaten eine Fürsprecherin für #Multilateralismus“. Bussi, Bussi! War da was? Zeigefinger-Diplomatie? Ideologische Außenpolitik? Egal. Wenn jemand den Verdacht hat, dass Politik ein einziger großer Klüngel ist, dann durfte er sich hier wärmstens bestätigt fühlen.

Das Verstörende an solchen Vorgängen liegt weniger im Detail als vielmehr in der Tatsache, dass hier Leute politische Spitzenämter übernehmen, die sich offenbar gar nicht im Klaren sind, dass ihnen der Wähler den Auftrag einer massiven Kurskorrektur erteilt hat, die erst nach eingetretenem Schaden merken, dass ihnen ihr Apparat Botschaften des politischen Gegners unterjubelt und die ihr politisches Handwerk offenbar so wenig verstehen, dass sie nicht als erstes nach Amtsübernahme ihr Haus unter Kontrolle bringen.

Abgründe in der AfD

Drangen auf ein Löschen des unappetitlichen Beitrags: die AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel (Mitte) und Tino Chrupalla (rechts).

Eigentlich läuft es gut für Deutschlands größte Oppositionspartei. In Umfragen liegt die AfD bei rund 23 Prozent. Soeben hat das Meinungsforschungsinstitut Insa ermittelt, dass die Alternative für Deutschland außerdem über mehr sichere Wähler verfügt als die Union: 20 gegenüber 19 Prozent der Wähler sind fest entschlossen, für die AfD bei der nächsten Bundestagswahl zu votieren. Das ist ein bemerkenswert hoher Wert. Die Regierungspartei SPD kommt bei den sicheren Stimmen auf 11 Prozent.

Der Erfolg deckt manchen parteiinternen Zwist zu und bemäntelt manche Rohheit, manch unbürgerliches Verhalten, manche Radikalität. Zuweilen aber schlagen Mandatare derart heftig über die Stränge, dass der Rest der Partei sich schämt und Wähler sich abwenden. So verhält es sich mit einem in den sozialen Medien mittlerweile gelöschten Beitrag der kirchenpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion, Nicole Höchst.

Die Abgeordnete aus dem rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach, gewählt über die Landesliste, hatte derb vom Leder gezogen. Auf einem Meme stehen zwei Männer in saudischer Tracht mit weißem Übergewand, Dreiecktuch und Gahfiya neben einem Tanklastwagen mit Gülle. Darüber prangt als Botschaft: „An alle Moslems in Deutschlands – was immer du auch isst, es ist mit Schweinescheiße gedüngt.“

Davon abgesehen, dass es faktisch nicht stimmt: Eine solche demagogische Botschaft ist widerwärtig, unbürgerlich und tatsächlich von jenem Geist des Hasses und der Hetze getragen, den man der AfD oft vorwirft. Hier lässt eine Frau ihrer Verachtung freien Lauf. Da trifft ein Satz zu, der noch nicht überall in der AfD angekommen ist: So etwas gehört sich nicht.

Immerhin: Das Entsetzen war breit. Die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla drangen auf Löschung des Beitrags. Der Bundestagsabgeordnete Jan Nolte erklärte bei X, „platte Niveaulosigkeiten gegenüber Muslimen“ seien noch keine Politik; ebenso wenig seien es „Aktionen, die keinen anderen Zweck verfolgen, als Muslime in ihren religiösen Gefühlen zu kränken.“ In der AfD gärt es noch immer.

Klöckners Gratismut

Julia Klöckner (CDU) mit Sicherheitspersonal im Bundestag. Die Sicherheitskräfte benutzt sie momentan noch bevorzugt dazu, um gegen Träger unliebsamer Kleidungsstücke vorzugehen.

Die CDU-Politikerin Julia Klöckner macht als Bundestagspräsidentin vor allem mit Rauswürfen Schlagzeilen: In der noch jungen Legislaturperiode verwies sie bereits einen Linken-Abgeordneten wegen des Tragens einer Baskenmütze des Saales und drohte der Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard mit Hausverbot, weil diese sich auf dem Weg in den Bundestag mit „A.C.A.B.“-Pullover abgelichtet hatte.

Nun also musste Cansin Köktürk den Plenarsaal wegen ihres „Palestine“-Shirts verlassen. Die Parteien, so Klöckner, hätten vereinbart, auf Aufkleber oder ähnliche Botschaften zu verzichten. Klöckner wird für ihr Vorgehen gefeiert.

Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich Klöckners Entschlossenheit als Gratismut: Die CDU setzt Law and Order bislang nur im Plenarsaal um. Statt kriminelle Ausländer aus dem Land zu werfen, wirft sie Abgeordnete aus dem Bundestag. Statt linke Politik zu beenden, bekämpft sie linke Parolen auf Kleidungsstücken. Natürlich müssen sich alle Abgeordneten an die Regeln des Parlaments halten. Wer aber einzelne Abgeordnete heftiger bekämpft als die inhaltlichen Positionen der Gegner, der will vielleicht einfach von der eigenen Machtlosigkeit ablenken.

Höchst abstoßend!

Wenn die AfD wirklich etwas verändern will, muss sie sich selbst verändern

Ein Kommentar von Julian Reichelt

Das geheime Dossier des Verfassungsschutzes über die AfD war ein übel anti-demokratisches und offenkundig politisches Machwerk, mit dem die (einst) Mächtigen versuchen wollten, die größte Oppositionspartei zu verbieten. Der perfide Plan darf als gescheitert gelten, weil Medien wie NIUS das Gutachten öffentlich machten und als ganz dünne Suppe enttarnten. Der allmächtige Staat - gescheitert an neuen machtkritischen Medien.

So manches im Gutachten war nicht rechtswidrig und nicht rechtsextrem, aber eben doch etwas, was Konservative niemals sein sollten: unanständig. Und unsympathisch. Und unappetitlich. In Teilen der AfD existiert eine zutiefst unangenehme und stolz gepflegte Kunstform, zum Beispiel über Ausländer so zu sprechen, dass man sich gerade noch so ins formal Nichtrassistische flüchten kann, obwohl jeder weiß, was gemeint ist.

Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla haben das zum Anlass genommen, eine neue Sprache in der AfD anzumahnen, besonders im Parlament. Wie dringend notwendig das ist, zeigt ein Social-Media-Post der AfD-Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst.

Am Dienstag verbreitete Höchst ein Bild, auf dem zwei Männer in arabischen Gewändern neben einem Gülletransporter stehen. Daneben steht der Satz: „An alle Moslems in Deutschland: Was immer du auch isst, es ist mit Schweinescheiße gedüngt.“

Den Post garnierte Höchst noch mit ihrem eigenen Foto. Höchst beschäftigt sich politisch mit den beiden bürgerlichen Kernthemen Glaube/Kirche und Bildung. Um es so zu sagen, dass auch Nicole Höchst es versteht: Wenn man mit diesen Themen in bürgerlichen Kreisen punkten will, konnte man sich selbst kaum mehr mit Gülle übergießen als Nicole Höchst. Sie hat aus ihrem Herzen eine Jauchegrube gemacht.

In der Logik der Politik kann es für solche abstoßenden (ja, im Sinne des Wortes mögliche Wählermassen von der Partei abstoßenden) Worte nur eine denkbare Sanktion geben: Raus aus allen Parteiämtern und -funktionen, Ende der innerparteilichen Karriere. Eine Partei, die sich nicht selbst aufräumen kann, wird niemals das Land aufräumen können. Eine Partei, die gegenüber Menschen in Fäkalsprache verfällt, muss sich nicht wundern, wenn sie Fäkalsprache ausgesetzt ist. Wer nicht von genügend Menschen gemocht wird, wird nicht von genügend Menschen gewählt. Wer Macht durch Dummheit und ein gesellschaftlich unmögliches und hier glasklar rassistisches Menschenbild gefährdet, muss weg – das und nicht Bunkermentalität ist das Wesen von Partei und Politik. Das muss auch die AfD lernen, wenn sie dem Land einen Gefallen tun will.

Im Interesse unseres Landes ist eben nicht ein Verbot der AfD (das würde uns entlang der alten deutsch-deutschen Grenze zerreißen), sondern eine schnellstmögliche innere Reinigung, eine beim rechtsextremen Teil verpönte "Melonisierung". Wie schön Melonisierung sein kann, durfte Alice Weidel gerade in Budapest erfahren, wo sie euphorisch gefeiert wurde und nicht beschimpft. Beliebt sein ist in der Politik nicht nur schön, sondern auch nützlich.

Die sogenannte "Brandmauer", dieser Irrweg der Geschichte, verhindert die Wiedervereinigung des bürgerlichen Lagers in Deutschland. Solange die "Brandmauer" steht, können und werden immer Linke regieren, obwohl die Mehrheit das Gegenteil will und wählt. Wenn die AfD es ernst damit meint, das Land von linker Politik zu befreien, dann ist sie verpflichtet, es dem linken Brandmauerwahn nicht durch sprachliche Gülle leicht zu machen, ihren Wählern gegenüber verpflichtet, sich selbst regierungs- und anschlussfähig zu machen, so wie Meloni in Italien, Wilders in den Niederlanden, Orban in Ungarn und sogar LePen in Frankreich, die ihre Bewegung von genau solcher Güllesprache entschlossen weggeführt und Personen ausgeschlossen hat, die zu dumm oder zu extremistisch waren, um breite Mehrheiten und politische Macht zu erringen.

Niemand in der CDU will es offen sagen, aber jeder intelligente und machtinstinktsichere Mensch dort weiß es, wie man an den Testballon-Äußerungen von Jens Spahn erkennt: Koalitionen mit Linken bis in alle Ewigkeit wird die CDU nicht überleben. Eine koalitionsfähige AfD (egal ob Schwarz-Blau oder Blau-Schwarz) ist für die CDU auf Dauer überlebenswichtig, um den Menschen wieder eine klar konservativ-bürgerliche Machtperspektive bieten zu können. Kein Mensch wählt auf Dauer eine CDU, die immer nur Machtbeschafferin für linke Parteien ist und dann viel zu linke Politik liefert, nachdem sie "Links ist vorbei!' versprochen hat, nicht einmal die langmütig-stoischen CDU-Stammwähler, die demographisch ohnehin auf dem Rückzug sind. Die AfD braucht die CDU, um zu regieren.

Die CDU braucht (besonders nach dem Selbstmord der FDP) die AfD, um zu überleben. Die konservative Mehrheit im Land braucht CDU und AfD, um ihren demokratischen Willen zu bekommen.

Die CDU muss dazu endlich aufhören, mit linker Zunge zu sprechen.

Die AfD muss endlich anfangen, die Sprache der Gülle in den eigenen Reihen härtestmöglich wegzukärchern.

Politik ist wie eine Dose Limo: Niemals darf man das Gefühl haben, dass Gülle drin sein könnte.

NIUS Live: Merz-Regierung will 2.500 Afghanen einfliegen!

Der Tag beginnt mit NIUS: Heute begrüßen wir den Publizisten und Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein, und NIUS-Reporter Alexander Kissler bei Moderator Alex Purrucker im NIUS Radio-Studio.

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